Hörbuch vs. Hörspiel

von Benjamin Curax

Was ist der Unterscheid zwischen einem Hörbuch und einem Hörspiel?

Verwirrung in den Kommentaren

Vermutlich werden sich die meisten von Euch denken: Natürlich kenne ich den Unterscheid zwischen einem Hörspiel und einem Hörbuch. Das möchte ich auch gar nicht bezweifeln. Ich bin mir sicher, viele werden erkannt und/oder sich nicht daran gestört haben, dass LaTerra ein Sonderfall zu sein scheint. 

 Allerdings finden sich unter meinen Videos auf YouTube immer wieder Kommentare, worin sich Leute darüber beinahe empört darüber echauffieren, dass selbige falsch betitelt seien. 

Ich möchte niemanden hinters Licht führen oder mit falschen Titeln mehr Views generieren. Ebensowenig soll das hier eine Rechtfertigung werden. Mir ist es schlicht ein Anliegen, in diesem Blogbeitrag zu erklären, was die Unterscheide zwischen einem Hörspiel und einem Hörbuch sind und vor allem, warum LaTerra keines von beidem ist. 

Das Hörbuch

Die simpelste Form eines vertonten Textes ist das Hörbuch. Das Werk wird schlicht und ergreifend vorgelesen. Es können sowohl mehrere Sprecher beteiligt sein, die den Text beispielsweise wechselseitig aus den Perspektiven verschiedener Figuren vortragen, wie auch ein:e einzelne:r Sprecher:in den gesamten Text vorlesen. Die Interpretation können völlig unterschiedlich ausfallen. Es gibt wahre Stimmakrobaten, die mit einem breiten Spektrum an verschiedenen Stimmen aufwarten, beispielsweise Stefan Kaminski (Eliot und Isabella von Ingo Siegner) oder Andreas Fröhlich (Der Schrecksenmeister von Walter Moers). Andere wiederum arbeiten eher minimalistisch, ohne dass der Text dabei weniger lebendig wirkt. Uwe Teschner (Area - Die schwärzeste Nach von Markus Heitz) wäre ein gutes Beispiel oder natürlich David Nathan (Stephen King). Obwohl Nathan seine Stimme kaum verstellt, wie er selbst in Interviews erklärt hat, wird auch ein 40-Stündiger Stephen King keine Sekunde lang langweilig, glaubt mir. 

Ich selbst habe beides ausprobiert. Für die Hörspiel-Version von LaTerra habe ich versucht, jede Figur so gut es ging sowhol von den anderen Charakteren, wie auch vom Erzähler abzuheben, damit in der Dialog-Mischung die Illusion noch glaubwürdiger ist. Bei meinen Hörbüchern (Der Elf: YouTube) habe ich auf extrem verstellte Stimmen verzichtet. Ich tue mir leichter damit, einen kontrollierten Lesefluss beizubehalten. 

Das Hörspiel

Im Hörspiel wird die Handlung nicht durch einen Erzähler, sondern durch den Dialog zwischen den handelnden Figuren vorangetrieben. Flashbacks werden von Charakteren aus der Ich-Perspektive erzählt. Natürlich kann es auch in Hörspielen einen Erzähler geben. Dieser klärt zu Beginn einer neuen Szene in kurzen Sätzen, teils stichpunktartig darüber auf, wann und wo diese spielt. 

Beispiel: Sonntag, 19.30Uhr, am Thresen von Paddy´s Bar, Schauenburgerstraße, Hamburg. 

Außerdem kann ein Erzähler eine Handlungsbrücke bauen. Beispielsweise, wenn die Protagonisten Wege zwischen Schauplätzen zurücklegen oder alltägliche Arbeiten verrichten, die für den Plot nicht relevant sind. Ebenso hilfreich sind Erzähler, wenn die Gruppe der Helden sich trennt, um unterschiedlichen Aufgaben nachzugehen. Anstatt alle handelenden Figuren aufwendig inszeniert erklären zu lassen, was sie als nächsten tun, kann das der Erzähler kurz und prägnant übernehmen. Die Hörspiel-Reihe: Die drei ??? arbeiten oft mit diesem Konzept, wenn Justus, Peter und Bob sich trennen. 

Während Justus und Bob Tante Mathilda mit der neuen Lieferung auf dem Schrottplatz halfen, fuhr Peter zu Mr. Henson, um ihn noch einmal zu der seltsamen Schatulle zu befragen. 

Der zweite große Unterscheid ist natürlich die Vertonung selbst. Hörspielszenen werden aufwendig inszeniert. Dabei gibt es mehrere Ebenen. Im Vordergrund, die erste Ebene, stehen die Stimmen der handelenden Figuren. Das kann ein Gespräch oder eine Aktion sein.

Die zweite Ebene sind Geräusche, die unmittelbar von den Figuren verursacht werden. Beispielsweise Schritte oder das Rascheln von Kleindung. 

Auf der dritten Ebene gibt es zwei Konkurrenten. Zum einen sind das Umgebungsgeräusche, wie das hektische Treiben einer Innenstadt. Zum anderen ist das die Musik. Hier muss darauf geachtet werden, dass alle Elemente ihren eigene Raum haben und trotzdem den anderen Luft zu atmen lassen. Sonst hat man am Ende einen undefinierbaren Brei, der unangenehm zu hören ist, im schlimmsten Fall sogar dafür sorgt, dass die Hörer:innen nicht nachvollziehen können, was gerade passiert. Das gilt ebenfalls für Szenen in denen viele Figuren gleichzeitig und durcheinander sprechen oder schreien. 

 

Bei den LaTerra-Hörspielen war das besonders herausfordernd, da ich bis auf Penelope alle Figuren selbst gesprochen habe. Hier eine genaue Differenzierbarkeit zu erzeugen war gar nicht so einfach. Glücklicherweise gibt es ein weiteren tontechnischen Kniff, der bei Hörspielen zum Einsatz kommt. Das räumliche Abmischen der Stimmen. Je nachdem, ob eine sprechende Person in einer Kirche steht oder im Auto sitzt, klingt das unterschiedlich. Es gilt also für jede Situation den passenden Raumklang auszuwählen und auf die Stimmen zu mischen. Das erfolgt mittels sogenannter Impulsantworten. Ohne hier technisch zu weit ins Detail zu gehen, möchte ich das trotzdem kurz erklären, denn eigentlich ist die Funktion simpel. Um einen Raumklang einzufangen, stellt man ein Mikrofon in beispielsweise eine Kirche, gibt einen kurzen Impuls in den Raum ab - ähnlich einem Klatschen in die Hände - und misst, wie lange der Schall im Raum nachschwingt. Diese Messung ist die Impulsantwort. Nun kann man diese mit jedem anderen Audiosignal verrechnen und je nach Intensität prozentual etwas mehr oder weniger Raum zugeben. 

Neben der räumlichen Mischung sollte man verschiedene Figuren außerdem räumlich von einander trennen. Das heißt also, dass die eine Figur, die etwas weiter links steht, im rechten Kopfhörer leiser zu hören ist als im Linken. Gepaart mit der räumlichen Mischung vermittelt das den Hörer:innen die Illusion, dass sich die Figuren nicht alle auf exakt demselben Fleck aufhalten. 

Welchen großen illusorischen Effekt die verschiedenen Ebenen haben, kannst du dir im Folgenden anhören. Um die Unterschiede am deutlichsten Hören zu können, empfehle ich Kopfhörer. 

Szene komplett trocken
Szene mit räumlicher Mischung
Szene mit räumlicher Mischung und Hintergrundgeräuschen
Szene mit räumlicher Mischung, Hintergrundgeräuschen und Musik

Cool oder? :)

Ich finde, hier merkt man nochmal ganz deutlich, welchen Unterscheid Musik machen kann. 

Eine dritte Form

Tatsächlich gibt es noch eine dritte Form von vertonten Texten, die ich selbst auch lange nicht kannte. Das sogenannte inszenierte Hörbuch. Dabei wird wie bei der Reinform des Hörbuches ebenfalls „nur“ vorgelesen. Allerdings wird das Ganze mit Musik und gegebenenfalls atmosphärischen Soundeffekten unterlegt. Ein Beispiel wäre hier Die dreizehneinhalb Leben des Käpt´n Blaubär von Walter Moers, gelesen von Dirk Bach. Hier wurde der Text an ausgewählten Stellen mit Musik, teilweise mit Sounbeffekten wie Windgeräuschen unterlegt. Diese Form ist selten. Selbst Sprecher Andreas Fröhlich (Syncronstimme u.A. von Edward Norton, John Cusack und Hörspielstimme von Bob Andrews aus Die drei ???), merkt in einem Interview an, dass diese Form der Lesung manchmal schief geht, da die Musik vom Text ablenken kann.

Was ist LaTerra denn jetzt?

Nun, gut. Ich denke, das ist ausreichend, um zumindest einen groben Überblick über die Thematik zu bekommen. Wo aber lassen sich jetzt die ersten beiden LaTerra-Staffeln einordnen? 

Die Antwort ist: Nirgends. 

Um eine Hörspiel handelt es sich tatsächlich nicht. Die Handlung wird hier hauptsächlich durch den Erzähler vorangetrieben, der den meisten Textanteil hat. Nachsätze wie: ,sagte er, im Anschluss an einen Dialogsatz sind in Hörspielen ebenfalls nicht üblich. Außerdem haben in Hörspielen in der Regel alle Figuren eine eigene Stimme. 

Als Hörbuch lässt es sich aber ebenfalls nicht klassifizieren, da sämtliche Dialoge im Sinne eines Hörspiels aufbereitet wurden. Stimmen wurden räumlich abgemischt und getrennt, Soundeffekte wie etwa Schritte ergänzt und Musik, sowie Umgebungsgeräusche zur Untermalung hinzugefügt.
Am ehesten trifft vielleicht die Inszenierte Lesung zu. Da jedoch durch die räumliche Mischung eine klare Abgrenzung zwischen Erzähler und Figuren erfolgt, trifft dieser Begriff aber ebenfalls nicht wirklich zu. 

Wenn man LaTerra wirklich einordnen will, so könnte man wohl sagen, dass es ein Inszenierter Hörbuch mit Hörspielelementen ist, wobei ich persönlich nicht glaube, dass das für mehr Klarheit sorgt.

Warum habe ich diese Form gewählt?

Wirklich gewählt habe ich das wohl nicht. Letztendlich ist das Endergebnis ein Kompromiss aus meinen Träumen und meinen Möglichkeiten. Dass ein Verlag das Buch haben möchte, habe ich nie wirklich geglaubt, trotzdem wollte ich die Geschichte veröffentlichen und das so episch wie möglich. Ein Hörbuch hat mir damals nicht gereicht. Dafür war ich zu sehr Fan von großen Blockbustern. Ich wollte ebenfalls eine dramatische, emotionale Komponente für LaTerra. Um das ganze aber realisierbar zu halten, entscheid ich mich, den Großteil des Textes vorzulesen und ausgewählte Szenen, beziehungsweise Dialoge zu Untermalen.

Natürlich wäre ein richtiges Hörspiel super cool gewesen, aber das war einfach nicht drin. Wenn man sich Werke vom Hörspielgott Ivar Leon Menger ansieht, wird schnell klar, wie lang hier die Liste von Mitwirkenden ist. Neben den unzähligen verschiedenen Sprechern gibt es hier Leute, die sich nur um die Geräusche, das Sounddesign, die Musik, das Editing oder die Regie kümmern. Ich bin ein einzelner Dude mit nem Keyboard und nem Mikro. That’s it. Einfach nicht realisierbar. 

Das ist übrigens auch der Grund, warum es jetzt ca. fünf-stündige Staffeln gibt. Ursprünglich waren die Staffeln eins bis fünf ein einziges Buch. Ich habe allerdings recht schnell begriffen, dass es mir unmöglich ist, dieses Werk am Stück zu vertonen. Zumindest nicht, wenn ich nicht erst in zehn Jahren veröffentlichen will. 

Insgesamt war es unfassbar viel Arbeit allein diese beiden Staffeln in dieser Form zu veröffentlichen. Vor allem die Musik, die ich ebenfalls selbst geschrieben und produziert habe, war der aufwendigste Teil. So aufwendig, dass ich beschließen musste, die Inszenierung vorerst bleiben zu lassen. Über YouTube haben immer mehr Leute zu LaTerra gefunden und nach Fortsetzungen gefragt. Es war mir einfach wichtiger, die Geschichte voranzubringen, anstatt die Community ewig auf den nächsten inszenierten Teil warten zu lassen. Auch wenn sicherlich einige enttäuscht waren, als die dritte Staffel dann nur noch als Hörbuch kam, gab es doch genug, die es nicht gestört hat, da es ja um die Geschichte an sich geht. Ich hoffe, das ist die mehrheitliche Meinung… 

 

Oha. Irgendwie doch mehr geworden, als beabsichtigt…

Tja, also… Danke, wenn du bist zum Ende durchgehalten hast. Das war mein erster Blog-Artikel. Ich denke die nächsten werden kompakter. Zumindest hoffe ich das für euch und für mich. 

 

Einen wundervollen Tag euch allen. :)

Euer Ben Curax

 

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